Rückblick auf darktable 3.0 bis 3.4

Aktuell ist zur Zeit darktable 3.6.1 und Version 3.8 steht schon in den Startlöchern. Es ist also höchste Zeit meinen Rückstand gegenüber dem Entwicklerteam in dieser Artikelserie zu verringern. Dieser Artikel soll die Neuerungen von darktable 3.0 bis 3.4 betrachten, mit der zur Zeit aktuellen Version befasse ich mich dann an anderer Stelle.

Neuer Workflow

Mit dem Einzug von “Filmisch” in Version 2.6 wurde ein grundlegender Umbau der Berechnungs-Pipeline von darktable gestartet. Was dabei mit einem einzelnen Modul begann wurde in den folgenden Versionen schrittweise ausgedehnt auf eine ganze Reihe existierender und neuer Module mit wesentlicher Bedeutung für die Bildbearbeitung. Dahinter steht nicht weniger als ein Paradigmenwechsel: Viele in der Bildbearbeitung genutzten Farbräume basieren auf psychophysikalischen Modellen welche die Wahrnehmung von Farbe durch das menschlichen Auge und Gehirn beschreiben. Ihr Zweck ist die Darstellung von Farben für die Anzeige (display-referred). Diese sind nur innerhalb gewisser Grenzen für die Bildbearbeitung geeignet und können insbesondere bei der Arbeit an Bildmaterial mit hohem Dynamikumfang zu Farbfehlern und anderen Artefakten führen.

Der neue Workflow der in darktable mit Version 3.0 einzog und mit darktable 3.2 zum neuen Standard wurde verwendet in weiten Teilen der Pipeline einen Aufnahme-bezogenen Farbraum (scene-referred). Dieser orientiert sich nicht an der menschlichen Wahrnehmung sondern an den physikalischen Gegebenheiten der betrachteten Szenerie: Die Lichtintensität wird linear in diesem Farbraum abgebildet, im Gegensatz zum menschlichen Auge bei dem der Zusammenhang zwischen Intensität und Wahrnehmung ungefähr logarithmisch ist. Diese Herangehensweise erlaubt physikalisch korrekte Anpassungen von Belichtung, Kontrasten und Farbe über einen weiten Dynamikumfang ohne dabei verfärbte oder übersättigte Schatten und Lichter zu riskieren.

Das Modul “Filmisch”, welches mit darktable 3.0 durch “Filmisch RGB” abgelöst wird, steht dabei im Mittelpunkt des neuen Workflows. Es reduziert den hohen Dynamikumfang der durch den Kamerasensor aufgenommenen Szene auf ein darstellbares Maß (tonemapping). Mit darktable 3.0 und 3.2 wurden dabei Verbesserungen an der Benutzerschnittstelle und den zugrundeliegenden Berechnungsmethoden vorgenommen um den Umgang mit Farbe und insbesondere die Sättingung in Schatten und Lichtern besser zu beherrschen. Mit Version 3.2 wurden außerdem Möglichkeiten ergänzt Bildinformationen in (fast) ausgebrannten Spitzlichtern zu rekonstruieren.

“Filmisch” wird durch eine Reihe weiterer Module ergänzt die Anpassungen nun im “richtigen” Farbraum vornehmen. Dazu zählt auch das Werkzeug für Tonwertkurve (“RGB-Kurve”). Das Modul Weißabgleich und der Kanalmixer werden im neuen Workflow abgelöst durch “Farbkalibrierung”. Angepasst an den neuen Farbraum gibt es ferner zusätzlicher Modi zur Überblendung von Ein- und Ausgabe der Module um eine Beschneidung der darstellbare Farbinformation zu verhindern.

Neue und verbesserte Funktionen

Neu mit darktable 3.0 eingeführt und mit Version 3.4 verbessert wurde der “Tonwert-Equalizer”, ein Werkzeug welches gezielte Anpassungen an der Helligkeit bestimmter Tonwertbereiche im Bild erlaubt. Die Bearbeitung erfolgt dabei lokal in ausgewählten Bereichen, aufgrund der Funktionsweise des Tonwert-Equalizer werden hässliche Kontrastumkehrungen oder -kanten (Halos) vermieden.

Mit darktable 3.2 zieht der “Negadoctor” ein, ein Modul zur Umwandlung eingescannter oder abfotografierter Negative in die Positivdarstellung. Zu den wichtigsten Funktionen dürfte sicher die Möglichkeit zählen, die bei Film übliche Farbmaske herauszurechnen.

Neuerungen gab es auch bei den Möglichkeiten zur Maskierung bei der Überblendung von des Ein- und Ausgabebildes eines Moduls. Mit den bei darktable 3.0 eingeführten Rastermasken kann die Maske die für ein Modul genutzt wurde an späterer Stelle exakt so erneut angewendet werden, etwa um gleichermaßen Helligkeit und Farben in einem bestimmten Bildbereich mit unterschiedlichen Modulen zu beeinflussen. Zuvor war das bei der Verwendung von parametrischen Masken nur schwer oder gar nicht möglich, da diese jeweils ausgehend vom Ein- oder Ausgangsbild des jeweiligen Moduls berechnet wurden und die Bildinformation an späterer Stelle in der Pipeline somit nicht gleich ist. Für gezeichnete Masken schafft darktable 3.2 zudem die Möglichkeit den Übergang zwischen keiner und voller Deckung nichtlinear (schwächerer oder stärkerer Abfall) zu gestalten, gesteuert über Shift+Mausrad.

Verbessert wurde in darktable 3.0. außerdem die profilbasierte Entrauschung, sie bietet nun insbesondere direkt die Möglichkeit Farb- und Luminanzrauschen in einer Modulinstanz getrennt zu beeinflussen.

Flexible Pipeline

Der neue Workflow wird komplementiert durch eine größere technische Änderung die mit darktable 3.0 eingeführt wurde. Zuvor war die Struktur der Verarbeitungs-Pipeline fest vorgegeben. Mit Version 3.0 wurde diese programmatische Festlegung aufgelöst, die Reihenfolge in der Module das Bild verarbeiten ist seitdem frei konfigurierbar. In den meisten Fällen tut man gut daran die voreingestellte Reihenfolge beizubehalten, aber in Einzelfällen kann so kontrolliert werden an welcher Stelle auf dem Weg vom RAW zum fertigen Bild man Korrekturen vornimmt. Insbesondere können damit Module je nach gewähltem Workflow an die geeignete Stelle in der Pipeline gesetzt werden. Mit Version 3.0 kommt eine neue Standard-Reihenfolge, eigene Pipeline-Konfigurationen können als Preset abgespeichert und aufgerufen werden.

Benutzeroberfläche

Viel Arbeit floss in den vergangenen Veröffentlichungen auch in die Überarbeitung der Benutzeroberfläche. Neben technischen Änderungen (die Oberfläche wird jetzt vollständig über CSS gestaltet und unterstützt damit selbst konfigurierbare Themes) gibt es seit Version 3.0 mehr Möglichkeiten auf Funktionen mit Tastenkürzeln zuzugreifen.

Massive Verbesserungen und Neuerungen ab es vor allem am Leuchttisch. Mit darktable 3.0 kam eine neue Ansicht zur Bildauswahl (culling mode) hinzu, ebenso wie die Möglichkeit Änderungen rückgängig zu machen (Undo/Redo). Mit darktable 3.0 und 3.2 wurde die Tagging-Funktionalität komplett überarbeitet. Die Performanz der Leuchttisch-Ansicht wurde ebenfalls signifikant verbessert, einen entsprechend leistungsfähigen Rechner vorausgesetzt soll damit auch auf 8K-Bildschirmen ein flüssiges Arbeiten möglich sein.

In die digitale Dunkelkammer wiederum zog mit Version 3.0 die Unterstützung für die parallele Bildvorschau auf einem zweiten Monitor ein. Seit darktable 3.4 gibt es zudem eine neue Clipping-Anzeige die mehr Möglichkeiten bietet über- und unterbelichtete Bildbereiche oder Kanäle zu identifizieren als die bisherige Überbelichtungs-Anzeige. Schließlich ist erlaubt Version 3.4 eine freie Kategorisierung der verschiedenen Module entsprechend der eigenen Herangehensweise, die früher fest vorgegebenen Kategorien sind Geschichte.

Sonstiges

Generell wurde in allen Veröffentlichungen viel Augenmerk darauf gelegt die Performanz von darktable weiter zu verbessern. Wesentliche Optimierungen zielten etwas darauf ab, die Anzahl und den Umfang der erforderlichen Neuberechnungen durch die Pipeline zu reduzieren.

Zudem wurde mit Version 3.4 die sehr umfangreiche Dokumentation überarbeitet und auf eine neue technische Grundlage gestellt. Für darktable 3.4 existieren alte und neue Dokumentation nebeneinander bis die alte Variante mit mit Version 3.6 ganz abgelöst wird. Um diesen Prozess zu erleichtern wurde die Betreuung der Dokumentation in ein eigenständiges Projekt abgespalten.

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