Schreibtisch-Chaos

Von einem der Auszog um die Gnome Shell hinter sich zu lassen.
Und vermutlich doch bei ihr bleibt.

Vergangenheit

Seit rund drei Jahren ist mein Hauptbetriebssystem Linux, genauer: Die Distribution Ubuntu Linux. Zuerst in der Version 10.10 “Maverick Meerkat”, mit Gnome 2 als Standard-Desktopumgebung. Konzeptuell erst einmal keine große Umstellung, aber deutlich flexibler als das damals schon altersmüde Windows XP. Warum Windows Vista für mich nicht in Frage kam, brauche ich an dieser Stelle wohl nicht zu erläutern, ich denke das Thema wurde bereits mehr als ausgiebig diskutiert.
Zurück zu Ubuntu, zurück zu Gnome. Auch bei Benutzeroberflächen unter Linux wurde zu der Zeit experimentiert, KDE 3 wurde durch KDE SC 4/Plasma abgelöst und Gnome 2 sollte durch einen konzeptuell deutlich verschiedenen Nachfolger Gnome 3 alias Gnome Shell ersetzt werden. Canoncial/Ubuntu ging einen anderen Weg und baute das ursprünglich für Netbooks gedachte Unity zur Standardoberfläche der Distribution aus.

Vielleicht ist Unity inzwischen zu einer akzeptablen Arbeitsumgebung gereift, 2011 war sie das aber in meinen Augen nicht. Gnome 2 war flexibel anpassbar, Unity dagegen ein monolithisches System welches weder zu meiner Arbeitsweise passte noch entsprechend zu konfigurieren war. Die Gnome Shell war zu diesem Zeitpunkt kaum mehr als ein sonderbares Proof-of-Concept. Ich blieb unter Ubuntu 11.04 “Natty Narwhal” also bei Gnome 2 und entdeckte Gnome Do als schnelle Ergänzung zum klassischen “Startmenü”. Mit Ubuntu 11.10 “Oneiric Ocelot” wurde Gnome 2 endgültig durch Unity ersetzt. Nicht bei mir, ich verzichtete auf das Upgrade und verschob die Entscheidung – Vorübergehend.

Ende 2011 starb mein alter Laptop (Danke NVidia!) und für den Nachfolger hatte “Natty” eine eher bescheidene Treiberunterstützung. Also doch Ubuntu 11.10, testweise mit der Gnome Shell. Und die Gnome Shell blieb, auch wenn die Version 3.0 im Auslieferungszustand nah an der Grenze zur Unbenutzbarkeit war. Sie war mindestens ebenso monolithisch wie Unity, unterschied sich noch radikaler von Gnome 2 und einige der Entwurfsentscheidungen waren komplett weltfremd (Standby/Suspend-to-RAM statt Herunterfahren, ernsthaft?!). Gleichzeitig war die Gnome Shell aber optisch deutlich ansprechender, durch Extensions einfach zu “reparieren” und von meinem alten Arbeitsmuster mit Gnome Do gar nicht so weit entfernt. Also passte ich die Gnome Shell an meine Bedürfnisse an, stellte mich etwas um und war zufrieden.

Mit Ubuntu 12.04 “Precise Pangolin” kam die Gnome Shell in Version 3.2. Einige der schlimmsten Fehlentscheidungen wurden revidiert und ich blieb weiter bei Gnome. Allerdings hatte das Upgrade auch einen gewissen Beigeschmack: Rückwärtskompatibilität für Extensions kennt die Gnome Shell nicht. Und auch Version 3.2 war ohne Anpassungen kaum zu gebrauchen …

Gegenwart

Ubuntu 12.04 ist ein LTS-Release, das prinzipiell noch bis 2017 weiter mit (Sicherheits-)Updates versorgt wird. Nun entwickelt sich das Software-Ökosystem weiter und zwei Jahre sind eine lange Zeit. Nach der Freigabe von Ubuntu 14.04 “Trusty Tahr” (ebenfalls ein LTS-Release) wollte ich daher die Möglichkeit eines Upgrades ausloten. Das Ergebnis war ernüchternd: Die Gnome Shell 3.10 stellt für mich ein klarer Rückschritt dar. Zwei Beispiele: Die Einteilung von Programmen in Kategorien (Büro, Internet etc.) wurde über Bord geworfen, es gibt nur noch eine endlose unstrukturierte Liste von Programmsymbolen. Außerdem war es nicht mehr möglich zwischen mehreren Ethernet-Netzwerkprofilen zu wählen. Rettende Extensions schienen nicht in Sicht zu sein. Vor Ubuntu “Trusty” wurde Gnome Shell 3.12 veröffentlicht, aber nicht mehr in das Release integriert. Ein kurzer Upgradeversuch mit dem Gnome 3 Staging PPA scheiterte an Paketkonflikten und wurde daher schnell abgebrochen.

Als mögliche Alternativen zur Gnome Shell kamen für mich KDE und XFCE in Frage, wobei ich rein nach Faktenlage KDE zuerst einmal den Vorzug geben wollte, unter anderem da die Farbmanagement-Integration bei XFCE schlicht und ergreifend nicht existent ist. Außerdem hatte ich mir erhofft, bei KDE SC 4 auf einen “moderneren” Desktop zu stoßen. Nun, so wie die Gnome Shell mich binnen einer Stunde für sich gewinnen konnte vermochte es KDE mich nur zu verwirren. Ich fand mich in der Oberfläche schlecht zurecht und betrachte sie als überfrachtet, nicht intuitiv und unstrukturiert. XFCE dagegen ist wenig überraschend, aber auch weit von der Dynamik einer Gnome Shell entfernt.

Zukunft

Ich habe mich an die Gnome Shell gewöhnt, sehr sogar. Ich schätze die Mischung aus zurückhaltendem Design (und Verhalten, KDE bombardiert den Nutzer ab Werk mit einer Unzahl von Meldungen) und dynamischem Verhalten (dynamische Desktops, Schnellzugriff). Also werde ich mir Gnome Shell 3.12 noch einmal näher ansehen. Ein zweiter Installationsversuch war durch Entfernen einiger Ubuntu-Metapakete (die durch entsprechende Äquivalente von Ubuntu-Gnome ersetzt werden konnten) möglich. Und scheinbar korrigiert die Version 3.12 einige der Punkte die mich an Gnome Shell 3.10 noch störten. Der Einstellungsdialog stürzt zwar direkt nach jedem Start mit einem Segmentation Fault ab, aber ich gehe davon aus, dass diese Probleme sich in nächster Zeit noch klären.

tl;dr

Gnome Shell 3.10 ist funktional kaputt – Und ein Upgrade auf Version 3.12 vielleicht die Lösung für jemanden der sich mit klassischen Desktops wie KDE und XFCE oder Experimenten wie Unity nicht (mehr) anfreunden kann/möchte.

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